Siglent SDS 1202X-E Digitales Oszilloskop mit 200MHz Bandbreite
Neben dem Multimeter ist das Oszilloskop das wichtigste Instrument in der Hobbywerkstatt eines Funkamateurs. Während das Multimeter stark darin ist, statische bzw. sich langsam ändernde Spannungen und Ströme zu erfassen, dient das Oszilloskop der Betrachtung einer zeitlichen Veränderung von Spannungen. Signalformen werden sichtbar. Moderne digitale Oszilloskope gehen über die Anzeige von Amplitude und Form eines Signales weit hinaus – als vielfältiges Messinstrument.
Bild 1: 200-MHZ DSO aus chinesischem Hause: das Siglent SDS 1202X-E. Quelle: Siglent.
Ein persönlicher Rückblick: Das erste Oszilloskop wurde in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gekauft, wies eine Bandbreite von 40 MHz auf und war komplett analog. Es enthielt eine Bildröhre als Anzeige. Zwei Kanäle standen zur Verfügung, die man auch in den X-Y-Modus schalten konnte, um Lissajour-Figuren zu zeigen. Was das Ding triggerte, sah man gut, was nicht, das lief auf dem Bildschirm durch. Der Preis entsprach etwa dem von zwei Monatsmieten eines Studenten. Wollte man die Frequenz eines Signales bestimmen, musste man auf der Röhre die „Kästchen“ zählen und Werte zwischen den Markierungen der Bildröhre grob abschätzen. Das kann ein Frequenzzähler besser. Dasselbe galt für Spannungsangaben und Amplituden. Aber oft kam es auf die 100mV nicht an und so konnte man mit einem Oszilloskop viel anfangen. Man sah, was z. B. am Eingang eines Filters oder Verstärkers eingespeist wurde und was am Ende dabei heraus kam.
Das zweite „Oszi“ – schon digital - kam gebraucht dank eines Freundes zu einem angegehmen Preis ins Haus, hatte vier Kanäle bei einer Bandbreite von 400 MHz. Mit diesem Gerät kann man Amplituden und Frequenzen exakt ausmessen und sogar ein FFT-Modul war vorhanden. Zur Anzeige diente noch eine Bildröhre. Ein Aufkleber nennt als letztes Kalibrierungsdatum das Jahr 1997 - vermutlich auch das Datum der Indieststellung. Sicherlich lag der Neupreis bei einigen tausend DM. Für einen Elektronikbastler und Funkamateur stellt dieses Gerät ein Juwel im überschaubaren Messgerätepark dar. Nachteil: Das Messgerät ist sehr voluminös, schwer, wegen der Lüfter laut und immobil.
Die Analog- und Digitaltechnik schreitet voran, AD-Wandler verarbeiten höhere Frequenzen, FPGAs sind leistungsstärker, universeller einsetzbar – und preiswerter. Letzteres gilt auch für Speicherbausteine. Kurzum: Heute erhält der Hobbyelektroniker ein handliches, leistungsstarkes, digital arbeitendes Einsteigeroszilloskop zu akzeptablem Hobbypreis. Und: Irgendwann muss einmal ein neues Männerspielzeug her! Nach längerer Suche und Marktbeobachtung trat das chinesische Siglent SDS 1202X-E in den Vordergrund persönlicher Betrachtungen.
Zweihundert MHz Bandbreite sollten für das Basteln mit ein wenig HF und viel Digitalem reichen, die überwiegende Zahl der Messungen spielen sich - zumindest bei mir - im Bereich bis 30MHz ab. Die Abtastrate von 1GSa/s (eine Milliarde Abtastungen je Sekunde) sowie eine FFT bis 1 Mio. Samples ist beachtlich.
Bild 2: Detaillierte Betrachtung einer Flanke mit Hilfe des horizontalen Zooms: Oben ist das gesampelte Gesamtsignal zu sehen, darunter der Ausschnitt in Detailansicht.
Kommen wir zu einigen Äußerlichkeiten: Das Kunststoffgehäuse ist gefällig und kompakt, die 230-V-Spannungszuführung erfolgt links am Gerät, nicht immer praktisch, wenn der Platz auf dem Messgerätetisch knapp ist, weil das Anschlusskabel links herausragt und unnötig Platz benötigt. Zwei Aufsteller bringen das Oszilloskop in eine angenehme Bedienlage. Für mobile Zwecke lässt sich oben ein Henkel aus Kunststoff ausklappen. Das kontrastreiche 7-Zoll-TFT-Display (800*480 Bildpunkte) liefert gut ablesbare Signalkurven, die Schrift bei Menüs und der Anzeige von Messergebnisse ist für gesunde Augen ausreichend groß. Der Druckpunkt der Knöpfe ist weich und angenehm. Die Beschriftung der Frontplatte ist englisch, für auf dem Display eingeblendeten Menüs stellt man die Sprache auf „deutsch“ um. Unterhalb des Displays sind Softkeys angeordnet, sie dienen zur Bedienung der auf dem Display gezeigten Menüs, rechts daneben kann man einen USB-Stick einstecken, um über die Taste Print eine Bildschirmkopie anzufertigen, die als PNG-Datei mit laufender Nummerierung abgelegt wird. Auf der Rückseite besteht die Möglichkeit, das Oszilloskop mit dem LAN zu verbinden, um es über einen PC zu steuern. Die dazu benötigte Software lädt man von der Siglent-Homepage [1]. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass sich Siglent auf den Gerätetreiber von National Instruments (SCPI remote control commands) stützt. Oben auf sitzt eine eigene Windows-PC-Software zur Steuerung dieses „Oskars“.
<- Bild 3: Einstellung der Art des Triggers: Zu jeder Position liefert das Oszilloskop eine kurze Erklärung.
Trigger Die horizontale Zeitbasis verfügt über den Bereich von 100 (!) Sekunden je Teilstrich bis herunter zu 1ns. Gemeinsam mit den vielfältigen Triggerarten wird dem Elektroniker kaum ein Ereignis in einem Signal oder einem Datenbus entgehen. Als Triggerarten stehen die Flanke, Steigung, Impuls, diverse Videoformate, Fenster, Intervall, Ausfall (Dropout), Runt, Mustererkennung und Trigger auf seriellen Datenbussen zur Auswahl. Mit der richtigen Wahl des Triggers lassen sich auch kompliziertere Messsituationen meistern.
Flanke Triggert auf ansteigende, abfallende oder alternierende Flanke.
Steigung Triggert, wenn steigende / fallende Flanke von unterhalb zwei Schwellwerte quert und die Steigung damit einen durch die Schwellwerte vorgegebene Amplitude erreicht oder diese überschreitet.
Impuls Triggert am Ende eines positiven (negativen) Impulses, wenn die Pulsweiteunter einem zuvor spezifizierten Wert liegt. Der Impuls darf also nicht länger dauern als gewünscht.
Video Triggert ein Videosignal (NTSC, PAL, 720p … 1080p, HDTV) auf die fallende Flanke.
Fenster Triggert, wenn das Signal ein vorgegebenes Fenster nach oben oder unten verlässt.
Intervall Triggert auf die 2. steigende oder fallende Flanke, wenn die zeit zwischen den Flanken unter dem spezifizierten Intervall liegt.
Ausfall Triggert, wenn das Signal länger als spezifiziert ausfällt.
Runt Triggert, wenn ein Impuls nur die erste Schwelle überquert, aber nicht die zweite.
Muster Triggert, wenn die logische Verknüpfung (zweier Kanäle) wahr wird.
Seriell Triggert, wenn auf einem seriellen Datenbus (I2C, SPI, UART, CAN, LIN) eine Start-, oder Stopbedingung, ein bestimmtes Datum (Wert) oder eine Fehlersituation erkannt wird. Die Mustererkennung auf einen bestimmten Wert im Datenstrom ist es zudem möglich, zu triggern, wenn der erwartete Wert erscheint oder dieser überschritten wird. Auf genannten Datenbusse wird nicht nur getriggert, diese werden auch dekodiert.
Bild 4: Dekodierung eines seriellen TTL-Datenstromes bei 9600 Baud, 8N1. Das Signal wurde im Single-Shot-Modus gespeichert und danach dekodiert. Daten präsentiert das Gerät binär, dezimal oder hexadezimal.
Bild 5: Dekodierte Bytes werden alternativ in einer bis zu sieben Zeilen umfassenden Liste dargestellt, hier im Hexadezimalformat.
Dekodierung
Die ersten Versuche, einen seriellen Datenstrom (UART mit 9600 Baud aus einem Arduino UNO als Zuspieler) zu dekodieren verliefen anhand der Bedienungsanleitung zwar erfolgreich, es wurden jedoch nur wenige Zeichen dekodiert (Bild 4). Dazu habe ich im Single Shot-Modus den Datenstrom aufgezeichnet, den man dann – wenn das Sampling stoppt - mit dem horizontalen Positionsregler „durchwandern“ kann. Der Grund war die zu kurze Einstellung der horizontalen Zeitbasis von sagen wir lediglich 500µs. Stellt man die Zeitbasis dagegen auf 5ms, passt ein viel größerer Teil des Datenstroms in den Speicher (und auf den Bildschirm). Nach dem Sampling geht das Scope in den Stop-Modus (die Anzeige Run/Stop leuchtet rot). Wenn man nun die horizontale Zeitbasis ändert, zoomt man in das Signel herein und heraus. Dem entsprechend zeigt das TFT-Display mehr oder weniger der dekodierten Zeichen an.
Bild 6: Messung der Anstiegszeit einer Flanke. Timebase ist 100ns, über die Measure-Funktion zeigt die abschaltbare Übersicht, als auch die Infozeile unten den gemessenen Wert an. Die Übersicht zeigt weiterhin mögliche Messungen auf.
Messungen
Drückt man den Button Measure des Oszilloskops, gelangt man zum Menü, welches allerlei Messungen am Signal ausführt. Das 1202X-E bietet 28 verschiedene Messungen, beispielsweise die Ermittlung des Spitze-zu-Spitze-Wertes, es misst positive oder negative Pulsweiten, bestimmt die Weite eines Burstsignals, die Anstiegs- und Abfallzeiten einer Flanke, berechnet Frequenz oder Periode eines periodischen Signals, die höchste und geringste Amplitude (Maximum und Minimun) oder die Amplitude als Differenz zwischen Maximum und Minimum. Die Anzeige von Effektivwert (RMS), Überschwingzeiten und weitere sind möglich. Praktisch: Zu jeder Messung zeigt das Scope auf dem TFT-Display eine Erläuterung.
Bild 7: Zeitmessung an Rechteckflanken mit Cursor: Die Frequenz stimmt auf das tausendstel Hertz mit der Anzeige des Signalgenerators überein.
Was gibt es sonst noch? Der Button Auto-Setup stellt das Gerät weitgehend automatisch auf das eingehende Signal ein, sodass es angemessen auf dem Bildschirm dargestellt wird. Der Button Default stellt es auf die Werkseinstellung ein. Das ist praktisch, wenn man allerlei Parameter verstellt hat und diese auf Standardwerte zurücksetzen möchte. Mit dem Button History speichert man Kurven und lädt sie erneut auf den Bildschirm. Über verschiebbare horizontale und vertikale Markierungen (Cursor) misst man die Zeit oder die Spannung zwischen den Cursoren eines auf dem Display angezeigten Signals aus.
Beide Eingänge des Oszilloskops sind nicht von 1 MOhm auf 50 Ohm umschaltbar. Zur Ausstattung gehört daher für jeden Kanal ein BNC-50-Ohm-Widerstand, den man mit einem BNC-T-Stück am Scope anschließt und den Eingang auf diese Art auf 50 Ohm „umschaltet“.
Bild 8: Über eine rückwärtige USB-B-Buchse findet das Oszilloskop Anschluss an einen Windows-PC. Mit dem Programm EasyScope übernimmt man Bildschirmkopien direkt auf den PC.
Jede Taste des Gerätes ist mit einer Hilfefunktion ausgestattet, die man mit langem Drücken derselben aufruft und eine Erklärung meist in deutsch, manchmal auch unübersetzt in englischer Sprache im Display aufpoppt.
Zum Gerät gibt es bei Youtube [1] zahlreiche Videos, einige widmen sich den Leistungsmerkmalen detailliert und bei Tests musste das Siglent bei guten Resultaten gegen deutlich kostspieligere Messgeräte antreten. So konnte ein Youtuber nachweisen, dass das 1202X-E die 3dB-Bandbreite von 200MHz um ca. 40MHz übertrifft. Die bei digitalen Oszilloskopen vorhanden Abtastrate gibt die absolute Grenze des erfassbaren Frequenzbereichs an. Bei 1 GSa/s wären das aufgrund des Nyquist Theorems 500 MHz. Es wären auch hier Signale messbar, jedoch mit großer Ungenauigkeit der Signalamplitude und ohne Information über die Kurvenform. Ein 200 MHz Signal wird bei 1 GSa/s lediglich durch 5 diskrete Datenpunkte nachgezeichnet.
Bild 9: Über das Virtuelle Panel von EasyScope lässt sich das SDS1202X-E über einen Windows-PC fernsteuern.
Persönliche Einschätzung
Vor dem Kauf habe ich (m)einen Händler kontaktiert und nach einer Bewertung des Gerätes gefragt. Die klare Antwort lautete „Es macht, was es soll!“ Diese Aussage ist zutreffend: Bei meinen Versuchen habe ich das Siglent 1202X-E mit meinem 400-MHz-Oszilloskop verglichen. Bei Berechnungen wie Frequenz, Periode, +Weite und anderen Messwerten konnten zwischen Frequenzzähler, Funktionsgenerator und den beiden Oszilloskopen keine Unterschiede konstatiert werden. Die berechneten Werte sind korrekt. Auch das Anzeigeverhalten ist nicht zu bemängeln und entsprach den Erwartungen, so bei den mir möglichen Signalformen Sinus, Rechteck und Sägezahn bis hoch zu acht MHz, die der Signalgenerator maximal zu liefern vermochte. Alles in allem: Für mich als Funkamateur und Hobbyelektroniker ist es ein guter Kauf - jedes Megahertz Bandbreite zahlt man mit etwa 2 Euro.